Bohnenkäfer – wandelnde Müsliriegel
Die mittlerweile in aller Welt, abseits der arktischen Gefilden, vorkommenden Käfer wurden erstmals irgendwann kurz nach der Jahrtausendwende als eine kostengünstige, einfach zu züchtende Alternative für Drosophila im Futtertierbedarf angepriesen. Für den Speiseplan Ihrer Tiere können diese Käfer durchaus eine wertvolle Ergänzung darstellen. Im Grunde gibt es auch kein Futtertier, das einfacher zu züchten ist als dieses. Die drei bis vier Millimeter groß werdenden Käfer der Art Bruchus quadrimaculatus gehören zur Unterfamilie der Samenkäfer und sind auf Hülsenfrüchte, in diesem Fall wie der Name schon sagt, hauptsächlich auf Bohnen spezialisiert. Die Käfer legen ihre Eier in Form kleiner, weißer Punkte auf den Bohnen ab. Die Entwicklung der Larven hin zum fertigen Käfer findet innerhalb der Hülsenfrucht statt. Dort ernähren sich die Larven vom Keim. Ist deren Entwicklung abgeschlossen, brechen sie aus der Hülsenfrucht aus und hinterlassen die markanten, runden Löcher. Ab diesem Zeitpunkt ist der einzige Lebensinhalt dieser Käfer die Vermehrung. Die Mundwerkzeuge sind evolutionär verkümmert, wodurch die Bohnenkäfer keine Nahrung mehr zu sich nehmen können. Somit entspricht der Nährwert der Bohnenkäfer im Grunde dem der Schwarzaugenbohnen. Was zunächst einseitig klingt, ist Frisch verfüttert eine ballaststoffreiche Art Müsliriegel. Es gibt unterschiedliche Angaben in der Literatur darüber, wie viele Käfer am Ende wirklich aus einer Bohne schlüpfen. Die Angaben reichen von vier bis 30. Hier spielt jedoch auch die Konstellation aus Bohnenmenge zu Käfern eine Rolle bzw. wie viele Eier die Käfer wirklich auf den Bohnen abgelegt bekommen bevor sie nach wenigen Tagen verenden. Aus eigener Erfahrung liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte und man kann mit zehn bis 15 Käfern pro Bohne rechnen, wenn der Ansatz mit genügend Käfern gestartet wird. Von Vorteil ist ebenfalls, dass Vitamin- & Mineralpulver sehr gut und lange an den Käfern haften, da sie sich im Gegensatz zu Drosophila nicht selbst putzen. Bevor Sie Bohnenkäfer verfüttern, möchte ich sie eindringlich bitten, den letzten Textabschnitt zur Eignung als Futtertier für Amphibien zu lesen.
Zucht & Handhabung
Die Zucht ist denkbar einfach und gestaltet sich unkompliziert. Als Zuchtsubstrat haben sich seit jeher Schwarzaugenbohnen (Gattung Vigna) bewährt. Je mehr Käfer Sie benötigen, desto mehr Bohnen sollten sie in den Ansatz geben. Als Behältnis eignen sich perforierte Heimchendosen ebenso wie Einmachgläser, in deren Deckel einige Löcher zum Luftaustausch gebohrt wurden – diese sollten jedoch nicht größer als 1,5 mm sein. Wie auch bei andern Futtertierzuchten ist hier die konstante Routine eine wichtige Hilfe – so setze ich persönlich wöchentlich einen neuen Ansatz an. Dazu befülle ich eine Heimchendose bodendeckend mit Bohnen, gebe etwa 20 Käfer hinzu und lasse diese dann zwei Wochen stehen. In dieser Zeit legen die Käfer ihre Eier und verenden.
Komplizierter als die Zucht gestaltet sich das Handling. Anders als bei Drosophila oder Springschwänzen können die Käfer nicht einfach aus der Dose oder einem Filterschwamm herausgeklopft werden. Hier hilft mir persönlich ein alter 5 L Eimer, sowie ein alter Nudelsieb dessen „Boden-“ Löcher auf 5,5 mm aufgebohrt wurden. Mit dieser Konstellation siebe ich die Käfer von den Bohnen ab. Erstmal sollten Sie dies nach zwei Wochen durchführen, um die verendeten Käfer aus der Zucht zu entfernen. Die Bohnen werden anschließend einfach zurück in das jeweilige Gefäß geschüttet und der Ansatz kann sich zu Ende entwickeln, ohne dass bei einer Verfütterung tote Käfer verschleppt werden.
Der Generationszyklus dauert bei Zimmertemperatur in etwa vier Wochen. Sind die ersten Käfer geschlüpft, sollten diese für den nächsten Zuchtansatz verwendet werden. Alle weiteren Käfer werden verfüttert oder dienen als Backup, sollte eine Woche mal keine Frische Zucht angesetzt werden. Die mittels Nudelsieb separierten Käfer werden in eine kleine Dose überführt, in deren Deckel Gaze eingeschweißt ist. Beim Sieben wird einiges an Mehl, dass durch den Fraß in den Bohnen entsteht, mitgenommen. So wird dies – ähnlich wie überschüssiges Mineralpulver oder Talkum, zusätzlich von den Käfern separiert. Da nicht alle Käfer gleichzeitig schlüpfen, kann aus einer Zucht mehrere Tage, teils bis zu zwei Wochen regelmäßig frische Käfer entnommen werden. Da die Käfer auch glatte Flächen empor laufen können, sollte der Eimer während des Aussiebens regelmäßig auf die Unterlage geklopft werden um ein Ausbrechen in alle Richtungen zu unterbinden.
Eignung als Futtertier
Die Eignung von Bohnenkäfern als Futtertier ist seit Einführung im Handel immer wieder umstritten bis kontrovers Diskutiert. Ursprünglich als Alternative zu Drosophila für die Dendrobatenhaltung angedacht, gab es schnell Stimmen, die sich gegen eine Verfütterung an Dendrobaten und Amphibien allgemein aussprachen, gestützt von Berichten über negative Auswirkungen nach der Fütterung, die bis hin zu Darmvorfällen und dem Verenden von Tieren reichen. Fakt ist, die Käfer haben einen relativ harten Chitinpanzer. Ich selbst konnte bei adulten Dendrobates auratus zwar auch beobachten, dass der Schluckreflex etwas anders aussah als sonst, kann Darmvorfälle oder gar verendete Tiere nach einem Jahrzehnt der allgemeinen Verfütterung aber nicht in Verbindung mit Bohnenkäfer bringen. Auch Nachfragen bei im nahen und fernen Bekanntenkreis und meinem Tierarzt ergab keine Erfahrungen hinsichtlich derart negativer Auswirkungen, die schlussendlich nicht doch eher auf parasitäre Befälle zurückzuführen waren. Dennoch sollte hier abgewogen werden, welchen Empfänger diese Käfer haben sollen und in welcher Menge sie verfüttert werden. Dass ein kleiner Oophaga pumilio oder junge Dendrobates auratus mit diesen Käfern, insbesondere in größerer Stückzahl, gegebenenfalls Probleme bekommen dürften, ist gut Vorstellbar. Dendrobatidae sind eher auf weiche, kleine Insekten ausgerichtet. Entsprechend sollten diese Käfer eher als Ergänzung und Abwechslung gesehen werden und auch eher an große Tiere verfüttert werden. Die hitzige, teils schrille Diskussion um eine Verfütterung kann ich hier aber nicht mit entsprechender Evidenz nähren – entsprechende Vorfälle aber auch nicht ausschließen. Beste Erfahrungen habe ich damit gemacht, Bohnenkäfer an adulte Phyllobates bicolor und ausgewachsene Dendrobates tinctorius zu verfüttern. Bei jungen Bombina orientalis konnte ich ebenfalls nie irgendwelche Komplikationen beobachten und für meine damaligen Dendropsophus leucophyllatus machten diese Käfer rund 40% der Diät aus.
Völlig ohne weitere Diskussion sind Bohnenkäfer für diverse Reptilien in entsprechender Größe ein hervorragendes Futter. Stenodactylus sthenodactylus, wie auch Anolis carolinensis und Lygodactylus kimhowelli sind begeisterte Empfänger für dieses Futter. Gleiches gilt für junge Hemidactylus triedrus.
Auch für Fische, insbesondere solche, die Anflugfutter bevorzugen, sind diese Käfer ein willkommenes Futter. Für Fische rate ich jedoch, die Käfer (wie auch Drosophila) zuvor einzufrieren. Sollten sie am Filterkamm oder dem Beckenrand Fuß fassen, klettern sie sonst sofort aus dem Wasser. Salmler wie Gymnocorymbus ternetzi und Hemigrammus caudovittatus sind hier begeisterte Abnehmer.
Noch ein Schlusswort. Aus Sicht des Menschen sind diese Käfer Lebensmittelschädlinge, die vor allem in dauerhaft warmen Ländern gravierende Schäden an Ernten anrichten können. Somit sind sie in diversen Foren gern als potentielle Gefahr für die Haushaltsküche beschrieben. Nach all den Jahren kann ich dies jedoch nur vehement verneinen und ins Reich der Ammenmärchen verbannen. Weder sind die Käfer in der Lage, sich durch Kunststofffolien zu beißen – erst recht nicht durch vernünftige Aufbewahrungsboxen – noch befallen sie andere Lebensmittel als Hülsenfrüchte. Eine „Gefahr“ würde nur bestehen, sollten Sie Hülsenfrüchte in offenen Gebinden lagern. Ansonsten ist die normale Haushaltshygiene mehr als ausreichend um sich hier keine weiteren Gedanken machen zu müssen.
Weiterführendes
EISENBERG, T.: Bohnenkäferzucht 2.0 - Reptilia Heft Nr. 160 April/Mai 2023 - Terraristik ein teures Hobby?: S. 36-40.