Schaben als Futtertier – zwischen Sinnhaftigkeit, Ergänzung und Nachteilen

Eine doch eher selten bedachte, sicher auch mit vielen Ressentiments beladene Futtertiersparte mit großer Varietät stellt die Ordnung der Schaben dar. Mit über viertausend verschiedenen Arten stellen diese Insekten in der Natur eine wichtige Nahrungsgrundlage für allerhand Prädatoren dar während sie zugleich einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Gesundheit von Habitaten leisten. Es liegt im Grunde auf der Hand, sich diese Tiere hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Futtertier etwas genauer anzusehen. Wenngleich Schaben einen schlechten Ruf genießen, so sind sie, bis auf wenige Arten, alles andere als invasive Plagegeister und auch sehr interessante Schauinsekten. Die letzten Jahre habe ich mich mal mehr, mal weniger mit dieser Thematik befasst. Vorab möchte ich anmerken, dass ich Ihnen hier nur einen groben Abriss darstellen kann und auf eine detaillierte Zuchtbeschreibung unterschiedlicher Arten verzichten werde. Bei sieben von mir gehaltenen Arten würde dies jeglichen Rahmen sprengen. Für spezifisches in diese Richtung gibt es geeignetere Anlaufstellen in Literatur und Internet. Ich möchte Ihnen hier nur anreißend meine Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema wiedergeben.

Blaptica dubia argentinische Waldschaben Blaptica dubia von frisch geschlüpft bis adult
Shelfordella lateralis Schokoschaben Adulte Schokoschaben

Die wohl bekanntesten Vertreter der Schaben stellen die als Schokoschabe betitelte Art Shelfordella lateralis sowie die argentinische Waldschabe Blaptica dubia dar. Beide Arten werden in großem Maß als Futtertier gezüchtet und erfreuen sich einer gewissen Verbreitung, nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe, der einfachen Zuchtbedingungen und sie können nicht an glatten Oberflächen emporklettern. Die Vorteile beider Arten liegen auf der Hand: Sie benötigen kein spezielles Zuchtsubstrat, Eierkarton als Bewegungsfläche und ausreichend Trocken- und Frischfutter reichen aus damit die Tiere bei warmen Temperaturen optimal vermehrt werden können. Als Behältnisse können gängige Aufbewahrungskisten aus dem Baumarkt, ebenso auch größere Eurokisten fungieren. Wichtig ist lediglich für ausreichend Luftaustausch zu sorgen. Aufgrund ihrer Größe sind sie ein außerordentlich gutes Futter für größere bis sehr große Amphibien und Reptilien, gleichzeitig kann deren Nachwuchs an kleinere Tiere verfüttert werden. Dabei lassen sie sich sehr gut mit unterschiedlichsten Futtersorten aufwerten und entsprechen im Grunde einem wandelnden Müsliriegel. Damit bereichern sie den Nahrungsplan gerade größerer Reptilien, die gleichzeitig keinen allzu hohen Bedarf an Futterinsekten haben sehr sinnvoll und kostengünstig. Agamen und Varane wären hier ein gutes Beispiel für einen Anwendungsfall. Ebenso meine Hemidactylus triedrus die adulte Shelfordella lateralis deutlich lieber annehmen als große Heimchen.

Ein deutlich kleiner Vertreter wäre mit Paraplecta minutissima, ehemals Blaberidae spec. „Kenia“, auch Kenia Schabe genannt, zu nennen, der bei Froschhaltern eine Zeit lang sehr populär, jedoch nie eine breitere Bekanntheit erlangte. Auch diese Art kann nicht an glatten Flächen klettern, im Gegensatz zu erstgenannten Arten benötigt diese Art allerdings ein feuchtes Substrat mit hohem Anteil an verwertbarer Biomasse, wie Laub, weißfaulem Holz und benötigt deutlich länger für den Reproduktionszyklus. Die Zucht lässt sich am besten mit diversen Asseln vergleichen – weiße Asseln sind auch ein perfekter Mitbewohner, der von den Hinterlassenschaften der Schaben profitiert. Somit können in Grunde zwei Futtertiere in einem Behältnis kontinuierlich gezüchtet werden. Auch hier eignen sich gängige Behältnisse bestens zur Zucht. Somit lassen sich Synergien schaffen um den Speiseplan der Reptilien und Amphibien diverser zu gestallten.

Kleine Kenia Schabe Paraplecta minutissima kleine Keniaschaben

Ein Groß aller Schaben aber ist in der Lage an glatten Flächen empor zu klettern, was seine Tücken mit sich bringt und mit vielen Vorurteilen behaftet ist hinsichtlich der Handhabung. Dabei sind gerade unter diesen diverse Arten zu finden, die sich in großer Menge, schnell und unkompliziert züchten lassen und deren Jungtiere aufgrund ihrer Größe eine interessante Alternative zu kleinen Heimchen, Drosophila und Ofenfischchen darstellen. Je nach Art kann es reichen die oberen Zentimeter des Behältnisses mittels Vaseline einzureiben um einen Ausbruchsversuch zu unterbinden, für andere ist ein dichtschließendes Gefäß, wie die bekannten BraPlast Dosen, unerlässlich. Ebenso ergeben sich hierdurch auch an die Terrarien veränderte Ansprüche. Während Dendrobatenterrarien in der Regel als Ausbruchssicher für kleine Insekten gelten, ist dies bei „normalen“ Terrarien nicht immer gewährleistet. Meine Schiebesysteme für die Scheiben haben sich hier zum Beispiel als Schwachstelle erwiesen (übrigens auch für Heimchen). Ebenso sind viele Arten an feuchtes Substrat mit hohem Anteil an Biomasse gebunden, wie bereits bei Paraplecta minutissima erwähnt. Gleichwohl sind einige Schabenarten sehr aktiv unterwegs und fördern damit ein aktives Jagdverhalten.

Nachteile Eine Verfütterung von Schaben ist jedoch auch mit Nachteilen verbunden. Die meisten Schaben sind sehr versteckt lebende, nachtaktive Bodenbewohner – insbesondere als Larven. Somit ist das Risiko groß, dass sich die Futtergabe in die kleinsten Winkel des Terrariums zurückzieht, sich somit dem gefressen werden entzieht und in ruhe größer wird. Dies kann dann zu einem gesundheitlichen Risiko, vor allem tagaktiver Tiere werden. Außerdem wird nicht jede Schabenart gleich gut als Futter angenommen. Shelfordella lateralis als Beispiel habe ich versuchsweise in Form frisch geschlüpfter Larven mit mäßigem Erfolg an meine Phyllobates bicolor verfüttert, die ansonsten so ziemlich alles an Futter annehmen was vor die Nase läuft. Die nicht gefressenen Schaben haben sich über Wochen hinweg versteckt und traten dann als viel zu große Insekten wieder auf den Plan. Dabei musste ich auch feststellen, dass sie sich an den Eiern von Gonatodes albogularis fuscus vergriffen hatten, was doppelt ärgerlich war. Demgegenüber sind nachtaktive Amphibien und Reptilien sehr Dankbar für derlei Schaben. Hemidactylus triedrus, Bombina orientalis und Stenodactylus sthenodactylus stürzen sich begierig auf alles, was sich bewegt und zwischen die Kiefer passt – sofern es aus seinem Versteck kommt. Blaptica dubia beispielsweiße an Dendrobatidae oder Bombinatoridae zu verfüttern funktioniert nicht. Dafür sind die Jungtiere zu versteckt lebend und können unter Wurzeln, Steinen und Wasserschalen wieder eingesammelt werden ohne dass der eigentliche Empfänger sie jemals zu Gesicht bekommt – eine Eigenheit die auch auf viele Asseln zutrifft. Gleichwohl gibt es Schabenarten, deren Jungtiere langsam wachsen und so auch über längeren Zeitraum im Terrarium als potentielle Nahrungsquelle zur Verfügung steht oder sich aufgrund ihrer Endgröße eignen ohne zur Gefahr zu werden. Ein gutes Beispiel hierfür wären Ischnoptera rufa deren Jungtiere in etwa Mikrogrillen entsprechen und gern von tagaktiven Fröschen angenommen werden, mit einer Endgröße von ca. einem Zentimeter aber auch noch ins Beuteschema von adulten Phyllobates oder Gonatodes passen. Verfüttert werden sollten die Larven der Schaben grundsätzlich nach einer Bestäubung mit Vitaminpulver um sie vom Bodengrund hervor zu heben. Die meisten Schaben sind sehr dunkel gefärbt und somit auch gut getarnt auf dunklen Substraten.

Schabenzucht Kiste 40x30x30 Eurokisten für die Zucht diverser Schaben
BraPlast Aufzuchtbox Schaben Ausbruchssichere Zuchtbox für sehr agile Scheibenläufer
Blattellidae spec. "Xiamen" Blattellidae spec. "Xiamen" in unterschiedlichen Größen

Handhabung scheibenlaufender Schaben
Während Schokoschaben alias Shelfordella lateralis und Blaptica dubia, bekannt als argentinische Waldschabe, sich wie Heimchen handhaben lassen – mit dem Unterschied, dass sie nicht springen können – kann sich die Handhabung diverser Scheibenläufer als sehr Spaßig erweisen. Blattellidae spec. „Xiamen“ ist beispielsweise sehr flott unterwegs und verschwindet dann gerne einmal unter der Küchenzeile. Sollten Zuchtbehälter neu angesetzt werden müssen, so hat es sich für mich am praktikabelsten erwiesen den alten Inhalt zunächst in eine größere Eurobox zu schütten, deren Wände am oberen Ende zehn Zentimeter breit mittels Vaseline eingestrichen sind und dann der passende Deckel aufgelegt wird. Man mag es kaum glauben, dies wirkt aber wie eine unsichtbare Wand. Im Anschluss kann das alte Behältnis in Ruhe gesäubert und neu eingerichtet werden. Anschließend werden die Schaben zurück überführt. Entweder über zuvor neu eingelegte Eierkartons, über absammeln oder Rinde & Laub… Viele Wege führen nach Rom, allerdings ist hier auch viel Geduld gefragt. Vor allem bei kleineren Arten. Zurückgebliebene Ootheken sammle ich nach Möglichkeit separat auf und überführe sie in extra Behältnisse mit feuchtem Substrat um ein Maximum an frischen Nachzuchten zu generieren. Eine Überführung als Futter in Terrarien ist durch Abklopfen von Eierwaben, Rinden oder Laub ebenfalls möglich. Ischnoptera rufa sitzt zum Beispiel gerne in nassem Laub und kann so in größeren Mengen einfach umgesetzt werden. Es hat sich auch als schlau erwiesen, vor dem Öffnen einer Zucht einmal kräftig auf den Deckel zu klopfen um Schaben, die den Weg über die Vaseline hinweg gefunden haben, zurück in ihren „Soll-Bereich“ zu zwingen.

Die Angst vor der Invasion im Haus
Eine gängige Angst, vor allem bei Mitbewohnern, Nachbarn oder unbeteiligten Dritten, ist jene, dass ausgebüchste Schaben sich zur Plage entwickeln. Befeuert wird dies oft durch falsche Vorstellungen und Darstellungen in Film und Fernsehen, aber auch dadurch, dass bei später Stunde im Keller die ein oder andere Schabe zusammen mit Heimchen und Ofenfischchen unterwegs ist und ein ungutes Gefühl hinterlässt. Sicher, es gibt problematische Arten wie Blattella germanica, auch als deutsche Schabe bezeichnet, oder die Küchenschabe Blatta orientalis, die sich ungewollt im Haushalt vermehren können. Von solchen Arten sollte Abstand genommen werden. Die allermeisten Schaben sind zwar Allesfresser, können sich aber nicht allein von Papier, Leder oder Stoff ernähren. Die hier favorisierten, tropischen Arten benötigen für eine erfolgreiche Vermehrung zudem nicht selten dauerhaft feuchtes Substrat gepaart mit warmen Temperaturen und ausreichendem Nahrungsangebot. Für optimale Vermehrungsraten sind 25-32°C vonnöten. Bedingungen, die eine Bäckerei oder Großküche liefern kann, nicht aber der Haushalt eines Otto-Normalbürgers. Andernfalls hätte jeder Haushalt mit Kompost im Garten ein gravierendes Problem. Folglich sind derartige Ängste absolut unbegründet – eine normale Haushygiene vorausgesetzt. Insbesondere bei tropischen Arten.

Ischnoptera rufa Ischnoptera rufa benötigt feuchte Böden zur Vermehrung, zugleich auch ein sehr gutes Futtertier aufgrund der geringen Größe der Larven

Fazit
Schaben sind, bedingt, hervorragende Futtertiere, die den Ernährungsplan sehr gut ergänzen. Sei es durch Zukauf oder Eigenzucht. Hierbei ist es aber wichtig zu überlegen, welche Schabe an welches Tier in welcher Größe verfüttert werden soll. Schokoschaben und argentinische Waldschaben Shelfordella lateralisBaptica dubia sind hier besonders für größere Reptilien hervorzuheben und eine lohnenswerte Alternative zu Heimchen, Grillen und Heuschrecken. Bei kleinen Schabenarten besteht dagegen nahezu ausnahmslos die Fähigkeit an Scheiben empor zu laufen und damit einhergehend eine aufwendigere Handhabung, mit Ausnahme von Paraplecta minutissima. Alle eint jedoch, dass sie sehr divers und gut mit verschiedenen Futtergaben aufgewertet werden können und somit eine nahrhafte Mahlzeit darstellen. Gleichzeitig darf der versteckte, nachtaktive Lebensstil der Schaben nicht unbedacht bleiben. Eine Zucht ist grundsätzlich sehr einfach zu realisieren und somit eine Kostenersparnis gegenüber dem Zukauf von Heimchen und Grillen. Aufgrund der nötigen Temperaturen und Feuchtebedingungen ist zudem die Angst vor einer unkontrollierbaren Vermehrung im Haus unbegründet. Ein zweiter Blick ist die Ordnung der Schaben als Nahrungsergänzung also wert.

Als Ansprechpartner für weiteres Wissen rund um Schaben kann ich Ihnen guten Gewissens Herrn J. Bernhard von Schaben-Spinnen ans Herz legen. Ebenso als Bezugsquelle für eine breite Auswahl an Schaben. Meine als Futtertier verwendeten Schaben stammen Großteiles von Ihm auf Basis eines kurzen Wissensaustausches hinsichtlich Eignung und notwendiger Zuchtparameter.